Seit 1956 gab es nur zwei erfolgreiche Verbotsverfahren: das der Sozialistischen Reichspartei (SRP) im Jahr 1952 und das der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) im Jahr 1956. Beide Parteien waren Nachfolgeorganisationen von verbotenen NS- oder KPD-Organisationen und hatten einen geringen Wähleranteil. Die Verbotsverfahren gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) im Jahr 2003 und im Jahr 2017 scheiterten hingegen, weil das Gericht die verfassungsfeindliche Tätigkeit oder die Erfolgsaussichten der Partei nicht für ausreichend hielt.
Einleitung
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist eine rechtspopulistische Partei, die seit 2013 im deutschen Parteiensystem vertreten ist. Sie hat sich in den letzten Jahren immer weiter radikalisiert und vertritt Positionen, die mit den Grundwerten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind. Die AfD lehnt den Rechtsstaat, die Menschenwürde, die Menschenrechte, die Gewaltenteilung, die Pluralität und die Toleranz ab. Sie schürt Hass und Hetze gegen Minderheiten, fördert Gewalt und Extremismus und strebt eine autoritäre Umgestaltung der Gesellschaft an.
Die Frage, ob die AfD verboten werden sollte, ist daher nicht nur eine juristische, sondern auch eine politische und moralische. Das Grundgesetz sieht in Artikel 21 Absatz 2 vor, dass Parteien, die die verfassungsmäßige Ordnung beeinträchtigen oder beseitigen wollen, verboten werden können. Ein solches Verbot kann nur vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden, auf Antrag der Bundesregierung, des Bundestages oder des Bundesrates.
Gegenstand der Überprüfung
Die Voraussetzungen für ein Parteiverbot nach Artikel 21 Grundgesetz sind folgende:
1. Die Partei muss eine verfassungsfeindliche Zielsetzung haben, d.h. sie muss aktiv und ernsthaft darauf hinwirken, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen oder wesentlich zu beeinträchtigen.
2. Die Partei muss eine gewisse Gefährlichkeit aufweisen, d.h. sie muss über eine hinreichende organisatorische Festigkeit, personelle Stärke und politische Einflussmöglichkeit verfügen, um ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung umzusetzen oder zumindest zu gefährden.
3. Die Partei muss sich an der politischen Willensbildung beteiligen oder beteiligen wollen.
zu 1.
Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der AfD lässt sich aus ihren Programmen, Reden, Publikationen und Handlungen ableiten. Die AfD leugnet die Legitimität des demokratischen Systems und stellt die Verfassungsorgane in Frage. Sie fordert eine Revision des Grundgesetzes und eine Rückkehr zu einem völkischen Nationalstaat. Sie propagiert einen ethnisch homogenen Volksbegriff und grenzt alle aus, die nicht ihrer Vorstellung von deutscher Identität entsprechen. Sie diffamiert Migrantinnen, Geflüchtete, Musliminnen, JudenJüdinnen, Sintize und Romaja, LGBTIQ-Personen und andere Minderheiten als Feinde und Bedrohungen. Sie relativiert den Nationalsozialismus und verharmlost den Holocaust. Sie unterstützt rechtsextreme Gruppierungen und Bewegungen wie Pegida, Identitäre Bewegung oder Reichsbürger*innen. Sie ruft zu zivilem Ungehorsam und Widerstand gegen die Regierung auf. Sie bereitet einen Staatsstreich vor.
Ein besonders deutlicher Beleg für die verfassungsfeindliche Zielsetzung der AfD ist das Geheimtreffen, das sie im Januar 2024 bei Potsdam abgehalten hat. Dort haben führende AfD-Politikerinnen mit Vertreterinnen von rechtsextremen Organisationen einen Plan zur massenhaften Deportation von Millionen Menschen aus Deutschland erarbeitet. Dieser Plan erinnert an den sogenannten Madagaskar-Plan der Nazis, der die Vertreibung der europäischen Juden*Jüdinnen nach Madagaskar vorsah. Der Plan der AfD ist ein klarer Angriff auf die Menschenwürde, die Menschenrechte und das Völkerrecht. Er zeigt, dass die AfD bereit ist, Gewalt und Terror anzuwenden, um ihre rassistische und antidemokratische Ideologie durchzusetzen.
zu 2.
Die Gefährlichkeit der AfD ergibt sich aus ihrer organisatorischen Festigkeit, personellen Stärke und politischen Einflussmöglichkeit. Die AfD ist eine bundesweit vertretene Partei, die in allen 16 Landtagen und im Bundestag sitzt. Sie hat über 30.000 Mitglieder und über 5 Millionen Wähler*innen. Sie verfügt über ein großes Netzwerk von Medien, eine politische Stiftung, Vorfeldorganisationen und Verbände, die ihre Propaganda verbreiten. Sie hat enge Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen und Bewegungen im In- und Ausland. Sie nutzt gezielt Desinformation, Hetze und Provokation, um die öffentliche Meinung zu manipulieren und zu polarisieren. Sie schafft ein Klima der Angst und des Hasses, das Gewalt und Extremismus fördert.
zu 3.
Die Beteiligung der AfD an der politischen Willensbildung ist offensichtlich. Die AfD nimmt an allen Wahlen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene teil. Sie stellt Anträge, Anfragen und Gesetzesentwürfe in den Parlamenten. Sie nimmt an Debatten, Ausschüssen und Gremien teil. Sie versucht, politische Entscheidungen zu beeinflussen oder zu blockieren. Sie nutzt ihre parlamentarische Präsenz, um ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung zu verfolgen und zu legitimieren.
Zwischenfazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die AfD die Voraussetzungen für ein Parteiverbot nach Artikel 21 Grundgesetz erfüllt. Sie hat eine verfassungsfeindliche Zielsetzung, die sie aktiv und ernsthaft verfolgt. Sie hat eine gewisse Gefährlichkeit, die sie in die Lage versetzt, ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung umzusetzen oder zumindest zu gefährden. Sie beteiligt sich an der politischen Willensbildung oder will sich daran beteiligen.
Die Frage, ob die AfD verboten werden sollte, hängt jedoch nicht nur von den Voraussetzungen für ein Parteiverbot ab, sondern auch von der Abwägung zwischen dem Schutz der Demokratie und dem Schutz der Meinungsfreiheit. Ein Parteiverbot ist ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht der freien politischen Betätigung (Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz) und in das Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb (Artikel 21 Absatz 1 Grundgesetz). Ein Parteiverbot muss daher ein notwendiges und angemessenes Mittel zum Schutz der Demokratie sein.
Prüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit
Dazu sind im ersten Schritt die weiteren Möglichkeiten, abseits eines Verbotsverfahrens zu prüfen:
1. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz: Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz kann zwar wichtige Informationen über die verfassungsfeindlichen Aktivitäten der AfD liefern, aber sie kann diese nicht verhindern oder unterbinden. Außerdem kann die Beobachtung durch den Verfassungsschutz auch negative Effekte haben, wie zum Beispiel die Stigmatisierung oder Radikalisierung der beobachteten Personen oder Gruppen oder die Beeinträchtigung ihrer Grundrechte.
2. Die Strafverfolgung von Einzelpersonen oder Gruppen: Die Strafverfolgung von Einzelpersonen oder Gruppen kann zwar einzelne Straftaten ahnden, aber sie kann nicht das gesamte System der AfD bekämpfen. Außerdem kann die Strafverfolgung von Einzelpersonen oder Gruppen auch zu einer Opferrolle oder einer Märtyrerrolle der AfD führen.
3. Die politische Auseinandersetzung mit der AfD: Die politische Auseinandersetzung mit der AfD kann zwar versuchen, die Wähler*innen von der AfD abzuwenden oder zu überzeugen, aber sie kann nicht verhindern, dass die AfD ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung weiterverfolgt. Außerdem kann die politische Auseinandersetzung mit der AfD auch zu einer Normalisierung oder einer Legitimierung der AfD beitragen.
Ein Verbot der AfD ist ein angemessenes Mittel zum Schutz der Demokratie, weil es dem Grad der Gefährdung entspricht und weil es das mildeste Mittel ist.
Ein Verbot der AfD entspricht dem Grad der Gefährdung, weil die AfD eine existenzielle Bedrohung für die Demokratie darstellt. Die AfD will nicht nur einzelne Aspekte der Demokratie ändern oder reformieren, sondern sie will die Demokratie als Ganzes abschaffen und durch eine Diktatur ersetzen.
Die AfD will nicht nur die Rechte und Freiheiten von Minderheiten einschränken oder abschaffen, sondern sie will Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben. Die AfD will nicht nur die politische Kultur und das gesellschaftliche Klima vergiften, sondern sie will Grundrechte abschaffen und damit einen Staatsstreich anzetteln.
Ein Verbot der AfD beeinträchtigt die Meinungsfreiheit der Einzelnen nicht, weil es sich nur auf die Partei als Organisation richtet und nicht auf die Mitglieder oder Wähler*innen als Personen. Diese können weiterhin ihre Meinung äußern, solange sie sich im Rahmen der Verfassung bewegen.
Ermessen in Bezug auf Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz
Das Ermessen ist ein grundlegendes Prinzip des Verwaltungsrechts, das es den Behörden ermöglicht, innerhalb bestimmter gesetzlicher Grenzen selbstständig zu entscheiden, wie sie handeln. Das Ermessen dient der Anpassung der behördlichen Entscheidungen an die Vielfalt und Komplexität der Lebenssachverhalte, die der Gesetzgeber nicht immer vorhersehen und regeln kann. Das Ermessen ist jedoch nicht grenzenlos, sondern unterliegt der gerichtlichen Kontrolle, die darauf abzielt, die Rechtmäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit der Ermessensausübung zu gewährleisten.
Ein Verbotsverfahren gegen eine Partei, die im Verdacht steht, verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen, kann als ein Mittel zum Schutz der demokratischen Ordnung angesehen werden, aber auch als ein Eingriff in die Meinungs- und Organisationsfreiheit.
Dabei muss in erster Linie berücksichtigt werden, dass die Verantwortung der Regierung darin besteht, die Verfassung zu wahren und zu verteidigen. Weiterhin hat die Regierung den Auftrag die Rechte und Interessen aller in diesem Land leben Menschen zu schützen.
Darf die Regierung untätig bleiben und dabei zusehen, wie die AfD die Macht ergreift? Die Antwort ist klar: Nein. Die Regierung hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen solchen Fall zu verhindern. Ein Verbotsverfahren ist dabei wie dargestellt ein legitimes und notwendiges Mittel, um die Verfassung zu schützen und die Demokratie zu stärken.
Zusammenfassung
Die AfD ist eine verfassungsfeindliche Partei, die eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie darstellt. Sie hat eine verfassungsfeindliche Zielsetzung, die sie aktiv und ernsthaft verfolgt. Sie hat eine gewisse Gefährlichkeit, die sie in die Lage versetzt, ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung umzusetzen oder zumindest zu gefährden. Sie beteiligt sich an der politischen Willensbildung oder will sich daran beteiligen.
Die AfD sollte nach Artikel 21 Grundgesetz verboten werden, weil ein Verbot ein notwendiges und angemessenes Mittel zum Schutz der Demokratie ist. Andere Mittel reichen nicht aus oder stehen nicht zur Verfügung. Ein Verbot entspricht dem Grad der Gefährdung und ist das mildeste Mittel.
Ein Verbot der AfD ist daher nicht nur eine juristische Möglichkeit, sondern auch eine politische und moralische Pflicht. Die Demokratie muss sich gegen ihre Feinde wehren, bevor es zu spät ist.